Blumen stehn am Wegesrand
oftmals still und unerkannt
streben nicht nach höh´rem Gut
und sie brauchen keinen Mut
Hallo! Habe ich durch meinen Artikel „Gehen-Sehen-Staunen-Sich erinnern“ im Gemeindekurier Berndorf (April 2021) euer Interesse geweckt, unsere schöne Stadt besser kennenzulernen? Also starten wir die Zeitreise bei der Annakapelle als Ausgangs- und Endpunkt. Es ist für uns heute kaum vorstellbar, wenn man sich die historischen Aufnahmen und Pläne ansieht, wie es hier vor ca. 100 Jahren ausgesehen haben muss! Außer der Annakapelle und der Kuhlmann Villa war nur freies Feld.
siehe „Bild 1: Berndorf aus der Luft“ in den Historischen Bildern
Annakapelle

Annakapelle, auch „Wallfahrerkapelle“ genannt, weil sich dort einst die Pilger zur Wallfahrt nach Mariazell sammelten, aber auch die Pilger, die über den Hart kamen und im Gebet verweilten bevor sie den „Lichtereinzug“ in die Pottensteiner Kirche hielten. Die über der Nische angebrachte Jahreszahl 1899 gibt vermutlich das Datum der Renovierung, nicht aber das der Errichtung an. Zwischen der Annakapelle und dem Waldrand lag ein Schutzgebiet für Fasanen (Kruppsche Fasanerie). 1967 wurde das „Siedlungsgebiet Annakapelle“ verbaut.
(Aus den Aufzeichnungen von Franz Jungbauer)
Ohasamaplatz
Einst Brunnenplatz wurde 1920 von der Stadtgemeinde in Karlplatz umbenannt. Karl Krupp (1851 -1906), der erstgeborene Sohn von Hermann und Marie Krupp, blieb ledig, wurde nach seinem Tod nach Berndorf überführt und im Familienmausoleum beigesetzt.
1965 schloss die Stadtgemeinde Berndorf mit der japanischen Stadt Ohasama einen Städtepartnerschaft, 1966 wurde der Karlplatz nach der japanischen Schwesternstadt in Ohasamaplatz umbenannt. Sie können sich darüber ausführlich durch einen Besuch der Sonderausstellung im Krupp-stadt-museum Berndorf informieren.
Von 1938-1945 startete mit der Errichtung der Einfamilienhäuser in der Kuhlmannstraße und Hötzendorfstraße, sowie der Wohnhausanlage auf der linken Seite der Kuhlmannstraße die Erschließung des Hügels für Wohnzwecke. Wie wichtig der Stadtgemeinde und dem Werk Berndorf sozialer Wohnbau oder besser leistbares Wohnen war, der auch auf die geänderten Bedürfnisse der Bewohner – die Sehnsucht nach einem Eigenheim – einging, ist mit der Anlage Annakapellensiedlung nach dem Abzug der Besatzungsmächte durch den Staatsvertrag 1955 erkennbar. So entstand hier ein neues Wohnviertel, das wir jetzt auf unserem Spaziergang umrunden. Also hinauf zur Kuhlmann Villa!
Kuhlmann Villa

Die Lage der zahlreichen Villen von Berndorf weisen eine Gemeinsamkeit auf und spiegeln daher den Zeitgeist der Kaiserzeit und den Aufstieg des Bürgertums wieder. Der Großraum Berndorf und Pottenstein ist eingebettet zwischen den Ausläufern des Wienerwaldes (Kremesberg) und den Kalkvoralpen (Guglzipf und Griesfeld), daher wurden die Villen an den höher gelegenen Ortsrändern von oder für Mitglieder der Familie Krupp oder leitenden Direktoren der Berndorfer Metallwarenfabrik erbaut. Man sah damit auf die übrige Bevölkerung hinab. In der zweiten Hälfte des 19. Jhdt. entwickelte sich durch den Umbau der Gesellschaft – durch die industrielle Revolution kam neben Adel und Klerus, Bürgern und Bauern der Arbeiterstand dazu – kein einheitlicher Baustil mehr. Im sogenannten Traditionsstil oder Historismus wurden vergangene Baustile nachgeahmt. Um die Jahrhundertwende entstand durch den Aufstieg des Bürgertums eine neue Bauweise der Bauhaus- und/oder Jugendstil.
Die Kuhlmann Villa ist dem Traditionsstil zuzuordnen, ein für unser Land seltener, edler, unverputzter Backsteinbau. Die Baumasse ist schön und reich gegliedert.
Zur Person Ing. Walter Kuhlmann:
1882 in Wien geboren, 1921 in Wien gestorben und im Mausoleum bestattet. Er war der Sohn von Berta Kuhlmann, der älteren Schwester von Arthur Krupp. Er trat 1908 als technischer Mitarbeiter in die Berndorfer Metallwarenfabrik ein und war als geeigneter Nachfolger von Arthur Krupp vorgesehen, der ihm 1911 als Hochzeitsgabe diese Villa erbauen ließ. 1919 kommt Walter Kuhlmann in den Verwaltungsrat und wurde Stellvertreter Arthur Krupps. Sein früher Tod war eine Tragödie für die Familie und für das Werk. Viele Berndorfer waren damals der Meinung, dass er den Niedergang der Berndorfer Metallwarenfabrik verhindert hätte.
Seht ihr schon das Bankerl am Waldrand? Nehmt euch die Zeit hier auszuruhen und schaut euch einmal bewusst unsere schöne, landschaftliche Umgebung an. Ist das nicht Lebensqualität?
Gemeindegrenze zwischen Berndorf und der Marktgemeinde Pottenstein
Weiter geht´s den Waldweg hinab zur Spitalgasse. Dieser Weg ist ungefähr die Gemeindegrenze zwischen Berndorf und der Marktgemeinde Pottenstein, d.h. der Hochstand auf der linken Seite ist Pottenstein und das freie Feld auf der rechten Seite gehört zu Berndorf.

Genau hier Ecke Spitalgasse Franz-Petter-Straße stand das Epidemie Spital am Ortsrand zu Pottenstein, denn die Spitalgasse bis zur Dr.I.Semmelweisstraße ist genauso wie der Waldweg Gemeindegrenze. Der Schmiedwaldgraben gehört daher zur Marktgemeinde Pottenstein.
Epidemie Spital

70 Diphterie Tote in Berndorf waren 1890 für die Berndorfer Metallwarenfabrik der Anlass zum Bau eines Epidemie Spitals außerhalb des verbauten Ortsgebietes, das in der heutigen Franz Petterstraße Nr. 2 Ecke Spitalgasse stand. Das Gebäude diente als Seuchenstation im Falle von Epidemien, andererseits als Kranken- und Altenheim. Welche Bedeutung dieses Gebäude für die Berndorfer hatte kann man erst jetzt wieder während der weltweiten Pandemie richtig ermessen. Die Unterbringung der infizierten oder noch genesenden Bewohner war für viele auch gesunde Menschen lebensrettend. In späterer Zeit, nach der Übernahme durch die Stadtgemeinde, wurde noch eine Liegehalle für leichte Lungenerkrankungen angeschlossen. 1986 wurde dieses Haus, das bis dahin als Notquartier diente, abgetragen.
Hauchvilla

Die vor uns liegende Hauchvilla bringt mich seit meinen Kindertagen immer wieder ins Staunen, sie war und ist ein beeindruckender Bau, der, Gott sei Dank, gut erhalten geblieben ist!
Ein nach den Plänen von Ludwig Baumann um 1917 erbautes Landhaus für den leitenden Direktor des Kruppschen Lagerhauses, später Zimmermannsche Wurstfabrik. Die Proportionen des Hauses – insbesondere das Verhältnis des ersten Geschosses zum zweiten – sind fein gestaltet; auf ihnen beruht ein Großteil der ästhetischen Wirkung dieses Baues. Das Haus besteht aus Eisenbeton. Zum Haus gehört ein großer Garten, der an der Nordseite zwei schöne, langgestreckte Lauben aus Betonpfeilern und Holzbalken aufweist. Das Landhaus wirkt vornehm und ist ein Schmuck der ganzen umgebenden Landschaft. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde es von Offizieren der russischen Armee bewohnt, und ist jetzt in Privatbesitz.
Die freien Flächen links und rechts der Ferdinand-Raimund-Straße sind erst in jüngster Zeit verbaut worden.
Am Rückweg zur Annakapelle möchte ich euch aufrufen – im Interesse unserer Stadt – bei der Zeitreise mitzuwirken. Wenn Ihr alte Fotos besitzt, bringt sie bitte in unser Museum, damit sie für die nachfolgenden Generationen kopiert und archiviert werden können. Ich weiß, dass es einige Sammler gibt, die sogar Bücher mit verschiedenen Schwerpunkten über unsere schöne Stadt geschrieben haben, die in der Buchhandlung Kral verkauft werden.
Weitere Informationen finden sie auf der Homepage der Stadtgemeinde Berndorf, der Homepage der Marktgemeinde Pottenstein, in den Topotheken der beiden Orte, sowie www.facebook.com/KralverlagBerndorf im Internet.
GoldenLio
Das macht Lust auf einen Spaziergang! Weiter so!